Explainable AI im Unternehmenskontext: Warum Nachvollziehbarkeit kein Nice-to-have mehr ist
In sensiblen Bereichen wie der Geldwäscheprävention (AML), der Personalauswahl (HR) oder der Kreditvergabe (Banking) übernehmen automatisierte Systeme heute zunehmend Entscheidungen – oder zumindest deren Vorbewertung. Mit dem zunehmenden Einsatz steigen zugleich die Anforderungen an Transparenz und Nachvollziehbarkeit: Wer trifft hier eigentlich warum eine Entscheidung? Genau das ist der Kern von "Explainable AI".
Was bedeutet Explainable AI?
Explainable AI beschreibt KI-Systeme, deren Entscheidungen für Menschen nachvollziehbar und transparent dargestellt werden können. Das betrifft insbesondere:
- die verwendete Datenbasis,
- die Gewichtung einzelner Einflussfaktoren,
- die Modelllogik,
- sowie die konkrete Entscheidungsempfehlung.
Insbesondere bei komplexen Modellen wie neuronalen Netzen ist dies nicht trivial – aber zunehmend verpflichtend.
Warum Erklärbarkeit gerade jetzt wichtig ist
Regulatorische Anforderungen: Die EU-KI-Verordnung (AI Act) verpflichtet Unternehmen bei "Hochrisiko-KI" zu Nachvollziehbarkeit und Transparenz. Das betrifft u. a. Anwendungen in:
- Kreditvergabe
- Bewerbervorauswahl
- Transaktionsüberwachung
Vertrauen von Stakeholdern: Kund:innen, Mitarbeiter:innen und Aufsichtsbehörden möchten (und müssen) verstehen, wie Entscheidungen zustande kommen. Blackbox-Systeme stoßen hier an Akzeptanzgrenzen.
Haftungs- und Reputationsrisiken: Fehlerhafte oder diskriminierende KI-Entscheidungen können nicht nur finanzielle, sondern auch rechtliche Konsequenzen haben. Unternehmen müssen nachweisen können, dass ihre Prozesse fair und nachvollziehbar sind.
Konkrete Anwendungsbeispiele
AML (Geldwäscheprävention): Warum wurde eine Transaktion als verdächtig markiert? Welche Risikofaktoren flossen ein? Welche Logik hat die KI genutzt?
HR/Recruiting: Warum wurde ein:e Kandidat:in aussortiert? Wurde fair mit ähnlichen Profilen umgegangen? Wurden Biases ausgeschlossen?
Kreditvergabe: Welche Parameter führten zur Ablehnung? Wie wurde Bonität modelliert? Gab es systematische Benachteiligungen?
Technologische und organisatorische Herausforderungen
Mit dem Anspruch auf Erklärbarkeit wächst auch die Komplexität:
- Modellwahl: Unternehmen müssen abwägen zwischen Performance und Erklärbarkeit. Klassische Entscheidungsbäume lassen sich einfacher erklären als tiefe neuronale Netze.
- Dokumentation & Audit: Jede KI-Entscheidung muss intern nachvollziehbar, protokollierbar und extern auditierbar sein.
- Governance-Strukturen: Verantwortlichkeiten für Modellpflege, Risikobewertung und Kommunikation müssen klar definiert sein.
Die Rolle der Business Analyse: Brücke zwischen Regulatorik und Technik
Gerade in diesem Spannungsfeld zwischen rechtlichen Anforderungen, fachlichen Prozessen und technischer Umsetzung kommt Business Analyst:innen eine zentrale Rolle zu. Sie übersetzen gesetzliche Vorgaben – etwa aus dem AI Act oder der AMLR – in konkret umsetzbare Anforderungen. Gleichzeitig stellen sie sicher, dass Erklärungen fachlich verständlich und systemseitig realisierbar sind.
Durch ihre Nähe zu Stakeholdern und ihre Fähigkeit zur strukturierten Anforderungsanalyse leisten Business Analysts einen entscheidenden Beitrag zur Operationalisierung von Explainable AI. Sie helfen, XAI nicht nur technisch möglich, sondern auch in der Praxis wirksam und compliant zu machen.
Fazit
Explainable AI ist keine nette Zusatzfunktion, sondern Voraussetzung für den sicheren, rechtskonformen und verantwortungsvollen Einsatz von KI in Unternehmen. Die Zeit der Blackbox ist vorbei. Wer KI nutzt, muss Verantwortung übernehmen – und Erklärbarkeit ist der Schlüssel dazu.
Unternehmen, die jetzt in nachvollziehbare Systeme, gute Dokumentation und kompetente Teams investieren, schaffen nicht nur Vertrauen – sie sichern sich auch einen Vorsprung in einem zunehmend regulierten KI-Umfeld.